Studie: Publikumsmessen unter Druck

Publikumsmessen stehen, wie andere Veranstaltungen auch, künftig vor großen Herausforderungen, denn sie befinden sich nicht nur mit einer wachsenden Vielzahl von Shopping-, Event- und Freizeitalternativen im Wettbewerb, sondern auch die demografischen Entwicklungen beeinflussen stark ihr Geschäft.

So ist beispielsweise der Anteil der über 50-jährigen Besucher in den vergangenen zehn Jahren signifikant gestiegen, jüngere und mittlere Bevölkerungsschichten dagegen haben die Messen als Besucher verloren. Diese Altersgruppen sind mehr und mehr in der digitalen Welt zu Hause und agieren als Multi-Channel-Shopper. Doch wenn dieser Nachwuchs nicht in einem späteren Lebensabschnitt wieder gewonnen werden kann, werden die Veranstalter in zwanzig Jahren möglicherweise sehr allein und verlassen an ihren Messeständen stehen. Auch technologischen Einflussfaktoren wie den Neuen Medien oder der Verschmelzung von Off- und Online kommen große Bedeutung zu. Besonders relevant sind das Verschmelzen von Kommunikationstechnologien sowie die Personalisierung von Information und Kommunikation.

Welche Trends mittelfristig zu beobachten sind und wie Messeveranstalter auf diese Veränderungen reagieren können, untersucht eine Studie der Handelshochschule Leipzig mit dem Titel „Perspektiven, Potentiale und Positionierung von Publikumsmessen“. Fünf Treiber und fünf Hürden für die künftige Entwicklung bei den Publikumsmessen haben die Wissenschaftler vom Lehrstuhl Marketingmanagement in ihren Untersuchungen herausgefunden.

Gegenüber dem Onlinekauf können Messen vor allem mit einem „multisensualen Markenerlebnis“ punkten, das heißt alle Sinne der Besucher sollten positiv angesprochen werden. Damit einher geht einer der Schlüsseltrends, nämlich Messeerlebnisse mit Wohlfühlatmosphäre zu schaffen. Eine Herausforderung für die Veranstalter, wenn man bedenkt, dass Messebesuche heute noch vielfach mit gefüllten Hallen, Gedränge und Stress assoziiert werden. Auch das Vernetzen der Events, mit den neuen Möglichkeiten der Onlinekommunikation bietet Chancen, nicht nur neue Zielgruppen anzusprechen, sondern auch die begrenzte zeitliche und Kontaktreichweite einer Messe zu erhöhen. Über die verschiedenen Kommunikationskanäle der Neuen Medien können sich Besucher schon vorab über Inhalte, Themen und einzelne Aussteller informieren und sie haben dann vor Ort mehr Zeit für die Live-Kommunikation.

Neben der Digitalisierung nimmt nämlich auch das Bedürfnis nach der persönlichen Begegnung zu, die gerade Messen in besonderem Maß bieten. Ohne auf die Zielgruppen zugeschnittene Themen nützen aber alle beschriebenen Bemühungen nichts, denn unsere Gesellschaft definiert sich immer individueller und Freizeit ist ein rares Gut – Special Interest-Messen sind deshalb einer der Schlüsseltrends. Kooperationen mit Medienunternehmen – Stichwort: Special Interest-Zeitschriften – können den notwendigen Zugang zu spezifisch interessierten Zielgruppen ermöglichen. Neue Zielgruppen und Interessenten erreicht man auch, so die Forscher, durch eine Regionalisierung, denn bei verschwindenden nationalen Schranken in Europa ist die Region in den letzten Jahren zu neuer identitätsstiftender Funktion gelangt. Der fünfte Schlüsseltrend „Punktgenau: Gebündelte Messeerlebnisse“ fokussiert auf die Bündelung von Themen und Veranstaltungen „unter einem Dach“ einer Messe, um die unterschiedlichen Bedürfnisse und Interessen der Besucher anzusprechen, jedoch ohne in Beliebigkeit und Verwässerung des Hauptthemas abzudriften. Beachten müssen Messe-Veranstalter aber ebenso Trends, die Hürden für das eigene Geschäft darstellen, wie die steigende Verfügbarkeit von Informations- und Einkaufsalternativen besonders im Internet.


Schlüsseltrend: Multi-Channel-Erlebnisse 4.0

Wenn die Forscher vom Schlüsseltrend „Multi-Channel-Erlebnisse 4.0“ sprechen, meinen sie, dass Menschen immer mehr Kanäle zur Einholung von Informationen und zum Einkauf nutzen und nutzen werden. Das kann für Messen bedeuten, dass diese zwar noch als wichtiger Kundenkontaktpunkt mit intensivem Live-Erlebnis angenommen werden, der Kauf sich aber dann in andere Kanäle verlagert. Auch der Trend „Digitalisierung schlägt Distanz“ gefährdet das Geschäftsmodell von Publikumsmessen, denn durch den technischen Fortschritt wird der Online-Einkauf immer mehr zu einem Massenphänomen und immer weniger Transaktionen erfolgen offline.

Nur durch die Einbindung von Onlinehändlern in die Messekonzepte ist dieser Trend langfristig aufzuhalten. Stagnierende Märkte durch wirtschaftliche Unsicherheit und Kaufzurückhaltung beziehungsweise preisbedingte Abwanderungen von Kunden in andere Kanäle beeinflussen Publikumsmessen ebenso negativ wie die wachsende Polarisierung der Gesellschaft in Arm und Reich, Stichwort „Verlust der Mitte“, also die Schrumpfung der einkommensstarken Mittelschicht. Sinkende Haushaltsgrößen und der demografische Wandel sind weitere Negativfaktoren, die es erschweren werden, auch in Zukunft breite und solvente Zielgruppen für Publikumsmessen zu finden. Nicht zuletzt haben immer mehr Menschen beruflich bedingt immer weniger Zeit zur Verfügung und Information und Einkauf lassen sich vielfach bequemer und zeitsparender von zu Hause aus mit einem Klick erledigen. Alles in allem eine Studie, die nicht nur für Messeveranstalter lesenswert ist, denn die beschriebenen Trends betreffen viele Bereiche unseres Lebens.


weiterführende Links:

» Messen und Events setzen zu wenig auf digitale Innovation, Referentenblog
» Events sind das Marketingtool mit höchsten Wachstumsraten, Referentenblog
» Dialog Marketing Monitor 2012 – Mehr Geld für Online, Referentenblog
» B2C-Trendstudie – Perspektiven, Potenziale und Positionierung von Publikumsmessen, auma Studie 2012
» Was Messebesucher wirklich wollen – Umfrageergebnisse, evos blog
» Messen sind der ideale Ort für eine Live-Kommunikation mit Kunden, media-TREFF

Quelle: Foto flickr, photokina 2010, von icedsoul photography teymur madjderey

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