Mikro-Autos: Mobilitäts-Konzept für die Zukunft?

Die neue Auto-Generation der „micro cars“ sorgt mit innovativen Antriebstechnologien und origineller Leichtbauweise für Aufsehen. Zudem kommen die modernen Kleinstwagen der Parkraumproblematik in Großstädten entgegen. Ob sie sich durchsetzen werden, ist dabei nicht nur eine Frage des infrastrukturellen Rahmens, sondern auch Ausdruck alltagskultureller Aspekte.

Mikro-Autos mit Elektromotoren und der Einsatz nachhaltiger Treibstoffe sind eine umweltfreundliche Lösung für die Mobilität im urbanen Raum. Neben einer Verbesserung lokaler Emissionswerte, sorgen diese Fahrzeuge aufgrund ihrer geringen Größe auch für eine nervliche Entlastung des Fahrers bei der zeitraubenden Parkplatzsuche in Großstädten.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass fast jeder Automobilkonzern ein Kleinstmobile in seinem Portfolio hat oder dabei ist, eines zu entwickeln. Konträr zu diesem Trend ist allerdings auch das Interesse an SUVs nach wie vor sehr stark. Welche Mobilitäts-Konzepte ein Mensch letztendlich favorisiert, beruht dabei meist auf einem komplexen Entscheidungsprozess, der von zahlreichen Einflussfaktoren geprägt ist.

Einflussfaktoren auf Mobilitäts-Entscheidungen
Infrastrukturelle Aspekte wie der Zustand des Straßennetzes, der Ausbau und die Qualität des öffentlichen Nahverkehrs und auch regulatorische Maßnahmen wie beispielsweise Parkgebühren oder Maut-Systeme spielen bei der alltäglichen Mobilitäts-Entscheidung eine zentrale Rolle. Neben dem infrastrukturellen Rahmen sind zudem individuelle Merkmale ebenso bedeutsam. Dies können unter anderem der Zugang zu Mobilitäts-Optionen, Routinen, die jeweilige sozioökonomische Lebenslage oder auch der eigene Lebensstil sein. Hinzu kommen zudem nicht planbare Ereignisse, wie zum Beispiel ein Stau nach einem Verkehrsunfall, technische Pannen und natürlich Wettereinflüsse wie z.B. ein Schneeeinbruch.

Der Einfluss alltagskultureller Aspekte ist eine weitere relevante Determinante der Mobilitäts-Entscheidung. Die meisten Automobilhersteller kennen zwar die Wünsche und Anforderungen ihrer Kunden an ein Auto sehr genau und betreiben hierfür intensive Marktforschung, aber ein tiefes Verständnis für das Phänomen Alltagsmobilität im kulturellen Kontext ist bislang noch nicht weit verbreitet. Hierbei geht es weniger um Normen und Werte einer Gesellschaft, als vielmehr um Einstellungen zu bestimmten Verkehrsmitteln und Gewohnheiten im Mobilitäts-Alltag.

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Mobilität im Wandel
In vielen europäischen Metropolen befindet sich die Mobilitäts-Kultur im Wandel. Vielerorts ist das Auto zwar nach wie vor das dominierende Fortbewegungsmittel, aber in Großstädten mit einem gutem öffentlichen Verkehrsmittelnetz kommt es immer mehr zu einem individuellen Mobilitäts-Mix. Begünstigt wird dieses Mobilitäts-Verhalten unter anderem durch das Angebot von (Micro-) Carsharing, Fahrrad-Leihsystemen und Online-Plattformen für Mitfahrgelegenheiten. In den Vordergrund der individuellen Mobilitäts-Kultur rückt damit zunehmend auch der Gedanke des Teilens, anstelle des Besitzes. Hinzu kommt, dass jüngere Zielgruppen eher mobile technische Geräte wie Smartphones und Tablets als Statussymbol schätzen und dem Auto vorziehen. Mit der Gründung einer Familie und mitunter langen Fahrtwegen zur Arbeitsstätte, ändert sich diese Einstellung gegenüber dem Auto allerdings und ein eigenes Autos wird für viele unverzichtbar.

Dr_K_Ullrich_GIM„Autos signalisieren hierzulande immer noch Attribute wie Erfolg, Reichtum und Attraktivität. Allerdings schließen sich Statusdenken und Nachhaltigkeit nicht mehr automatisch aus“ , erklärt Dr. Kerstin Ullrich, Division Director Consumer Goods, Services & Innovation bei der GIM Gesellschaft für Innovative Marktforschung. Ein Beispiel hierfür ist der i3 von BMW, der mittels eines Elektromotors emissionsfrei angetrieben wird. Angesichts einer noch spärlichen Infrastruktur besteht für die Elektromobilität aber noch viel Aufbauarbeit in den nächsten Jahren. Fehlende Ladestationen, geringe Reichweiten und aktuelle Schlagzeilen von brennenden Elektro-Autos verunsichern die Verbraucher und erfordern eine konsequente Überzeugungsarbeit seitens der Autohersteller.

Sollten diese Bemühungen scheitern, könnte es den modernen „micro cars“ in gewissen Bereichen so ergehen wie dem Fahrrad. Trotz der zunehmenden Relevanz des Fahrrads als Sport- und Freizeitgerät, stellt es keinen echten Ersatz zum Auto dar und ist für viele Berufstätige nicht mehr als ein einfacher Alltagsgegenstand. Mit dem Ausbau der ÖPNV-Systeme und der Möglichkeit zur kostenfreien Fahrradmitnahme, könnte das Fahrrad eine attraktive Alternative zum Pendeln im urbanen Raum werden. Hierbei sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass das Fahrrad (noch) nicht mit dem Image von Autos, Motorädern und Scootern mithalten kann. Werte wie Freiheit und Unabhängigkeit lassen sich zwar auch auf das Fahrrad übertragen, die Vorliebe für bestimmte Marken und Modelle als Ausdruck der Persönlichkeit, ist allerdings weitaus weniger stark ausgeprägt. Moderne und stylische E-Bikes, die ein schnelles Vorankommen ermöglichen ohne körperlich allzu anstrengend zu sein, könnten diesen Prozess beschleunigen. Allerdings befinden sich E-Bikes zur Zeit auf dem preislichen Niveau eines gebrauchten Kleinwagens und sind somit für einige Verbraucher nicht erschwinglich oder werden als zu teuer empfunden.

Ob E-Bikes und Mikro-Autos es bspw. wie die Vespa schaffen, zum Kult zu werden, ist momentan fraglich. Schließlich ist die Vespa und der Scooter im Allgemeinen in Metropolen wie Paris, Rom und England seit Jahrzehnten Ausdruck der nationalen Mobilitätskultur. So gehört es beispielsweise  zur guten italienischen Tradition Scootern Vorfahrt zu gewähren. In Paris ist das Durschlängeln mit den Scootern bei stockendem Verkehr akzeptierter Alltag und teilweise spektakulär zu beobachten. Angesichts der nationalen Mobilitäts-Knigge wird das Durchschlängeln wiederum in England verpönt.

Quo vadis?
Wie sich der Markt für Micro Cars zukünftig entwickeln wird, hängt von den unterschiedlichsten Faktoren ab und erschwert damit die Erstellung von langfristigen und zuverlässigen Prognosen. Auch wenn sich Big Cars wie SUVs nach wie vor großer Beliebtheit erfreuen, lässt sich in immer mehr Metropolen weltweit ein Trend zu Micro Cars und der Nutzung mehrerer umweltfreundlicher Fortbewegungsmittel wie Bahn, Bus und Fahrrad feststellen. Der individuelle Mobilitäts-Mix von Menschen in globalen Ballungszentren besteht somit zunehmend aus mehr als „nur“ Autofahren. „Hinzu kommt, dass der Autobesitz insbesondere in Großstädten noch teurer werden wird und auf überfüllten Straßen das Auto immer seltener das liefern können wird, wofür es einst erfunden wurde: Mobilität“, gibt Dr. Kerstin Ullrich zu bedenken. Die Zukunft in den Mobilitäts-Märkten bleibt somit spannend und wird sicherlich noch für einige Überraschungen sorgen.

Disclaimer: eck marketing unterstützt unter anderem GIM Gesellschaft für Innovative Marktforschung mbH bei der Mitwirkung als Referent. Gerne helfen wir Ihnen bei Fragen weiter.

weiterführende Links und Vorträge
» Mobilität 2025, Unterwegs in der Zukunft, Frerk Froböse, Martina Kühne, GDI & SBB 2013
» Kulturgut auf vier Rädern, brandeins 12/13
» Die Gesellschaft auf dem (Trend-)Radar, Trendforum 2010
» Trends for Brands – Trendmanagement als Markenführungstool, MAFO 2011
» Auf der Suche nach der Mobilität von Morgen, marktforschung.de 6/13
» Radfahrer brauchen eine stärkere Lobby, abfahren 6/13
» Mobilitätskulturen determinieren Erfolgspotenziale, marke 41, 2/3 2013
» Autos signalisieren immer noch Erfolg, Reichtum und Attraktivität, w&v Special IAA 2/13


Fotos flickr:
Traffic in Brisbane by Simon Forsyth
flickr: Corso around Lake Zell, World Vespa Days 2009 in Zell am See, by Insanish

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